27. Juni – Das tägliche Leben in Honduras

Der Monat Juni ist fast vorbei und es gab nur wenige Regentage in unserer Gegend – leider. Es ist nach wie vor sehr trocken und die Wasserbestände werden knapp. Die Auswirkungen treffen alle, aber vor allem die Landwirtschaft. Viele Pflanzen und Gemüse sind aufgrund der Trockenheit eingegangen und somit entstand ein grosser Verlust für die Bäuerinnen und Bauern.

Anfang dieses Monates bekam ich einen Anruf von einer Mutter: Ihr 3-jähriger Sohn hat sich drei Finger verbrannt und so brachte sie ihren Sohn zu mir, um die Wunde zu pflegen. Als sie hier war, erzählte sie mir, dass er beim Spielen umgefallen ist und mit der Hand auf eine glühende Glut einer Feuers gefallen ist – vor drei Tagen! Ich habe sie gefragt, wieso sie nicht schon früher gekommen sei. Ihre Antwort hat mir einen Stich im Herz versetzt: Sie wollte es selber „machen“ und sie hat gehört, dass Zahnpasta und „Mentolina“ (ähnlich wie die Hustensalbe Wick) gut für Verbrennungen sei. So hat sie dem armen Buben für zwei Tage Zahnpasta und Mentolina auf die Wunde aufgetragen. Das Ergebnis war, dass die Haut nur noch mehr verbrannt wurde! Nach einer Woche täglichem Verbandswechsel haben wir es geschafft, die infizierte Wunde zu heilen Für mich ist es immer wieder traurig zu entdecken, wie viele Unwahrheiten bezüglich Krankheiten und deren Genesung verbreitet sind.

Ein anderer Nachbar kam mit einem „Loch“ im Arm. Er hat sich vor einer Woche ein Geschwulst raus operieren lassen, die Fäden waren jedoch komisch angelegt, sodass sich die Wunde eröffnet hatte und der arme Mann mit einem Loch im Arm arbeiten ging. Mit einigen kreativen Ideen bezüglich Verbandsmaterial haben wir es nach fast 2 Wochen geschafft, die Wunde behutsam zu schliessen.

Auch hier in Honduras ist das Impfen gegen Covid ein aktuelles Thema. Viele Angestellten im Gesundheitswesen konnten sich impfen lassen; leider immer noch nicht alle. Es wurde begonnen, die älteren und betagten Personen zu impfen. Jetzt haben sie jedoch bemerkt, dass es nicht genügend Dosen für die 2. Impfung gibt. Sie waren jedoch „kreativ“ und haben den nächsten Impftermin bei allen Erst-Geimpften um einen Monat (bis jetzt, es könnte noch länger werden) verschoben. Dies mit der Begründung, dass so die Impfung noch besser schützt. Gleichzeitig versprechen die Politiker, dass die Lehrpersonen geimpft werden, um die Schulen wieder zu öffnen. Wir alle wissen jedoch, dass dies (leider) nicht so schnell geschehen wird, da immer noch nicht alle Ärzte und Pflegepersonal geimpft wurden. Und ebenso gleichzeitig kann man die Impfung schon bei einigen Ärzten in Tegucigalpa kaufen; umgerechnet für fast 300 USD ! Das Impf-Thema wird wie erwartet zu einem Geschäft sowie zu einem politischen Thema, da dieses Jahr auch Präsidentschaftswahlen anstehen.

Wir in unserer Bibliothek haben ein neues Projekt gestartet: Wir haben an zwei Tagen einen Internetzugang installiert und bereits einen Computer ergattert. Die Idee ist, für die Familien einen Zugang zu ermöglichen, die Schulunterlagen herunter zu laden und den Kindern so ihr Recht auf Bildung zu erfüllen. Viele Familien haben aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht die Möglichkeit, sich Internetdaten zu kaufen und so ihren Kindern die Schulunterlagen zu gewährleisten. Viele Kinder haben in den letzten Wochen, ja Monaten leider keine Hausaufgaben machen können und sind somit sehr „hendedrii“.

Gleichzeitig haben wir begonnen, einmal pro Woche Nachhilfe anzubieten. Dank vielen grosszügigen Spenderinnen und Spender können wir dieses Projekt in den nächsten Monaten anbieten und hoffentlich auch noch mehr Computers anschaffen. Es freut uns sehr zu sehen, wie gross der Wissens-Hunger der Kinder ist und dies ist unsere grosse Motivation, sie zu begleiten und ihnen das Wissen bereit zu stellen.

21. Mai – Das tägliche Leben in Honduras

Bereits ist wieder ein Monat vergangen. Hier in Honduras warten wir seit einigen Wochen auf den lang ersehnten Regen. Es ist sehr heiss und trocken – und wie leider fast jedes Jahr gibt es aufgrund der Trockenheit viele Waldbrände. Die Feuerwehr ist leider zu wenig effizient organisiert, um sich um alle Waldbrände zu kümmern. Meistens sind es die eigenen Dorfbewohner, welche versuchen das Feuer unter Kontrolle zu bringen.

Die Corona-Situation ist unverändert. Die obere und viele der mittleren Bevölkerungsschichten konnten sich eine Reise in die USA leisten und sich dort impfen lassen. Meine Nachbarin musste sich letzte Woche testen lassen, da sie mit ihrer an Corona erkrankten Mutter Kontakt gehabt hatte. Sie ging in ein öffentliches Test-Zentrum, in welchem sie sofort getestet wurde. Das Resultat hätte in 2-3 Tagen vorhanden sein sollen. Schlussendlich kam das Resultat (glücklicherweise negativ) erst nach langen 10 Tagen! Anscheinend sind die Test-Zentren so überfüllt und überfordert, dass die Testergebnissen erst nach mehr als einer Woche zur Testperson gelangen. Dies ist sehr erschreckend, wenn man bedenkt, wie viele Menschen eine positiv-infizierte Person in diesen 10 Tagen anstecken könnte! Denn eine 10-tägige Quarantäne einzuhalten ist für viele hier schlicht nicht möglich. Sei es aufgrund ihrer Arbeit oder ihres Verkaufsstandes, etc.

Umso erfreulicher war die Rückmeldung über ein öffentliches Corona-Zentrum in der Hauptstadt. Es ist auf dem Campus der öffentlichen Universität platziert und betreut Patientinnen und Patienten mit milden Corona-Symptomen. Die Mutter meiner Nachbarin war für 5 Tage dort und fühlte sich rundum sehr gut aufgehoben. Auch mussten die Angehörigen „nur“ für die Labortests bezahlen und auch sie fühlten sich gut betreut. Was für eine erfreuliche Nachricht inmitten von negativen Schlagzeilen!

Eine mehr und mehr sichtbare Folge der Pandemie ist die grosse Arbeitslosigkeit. Sie war vor der Pandemie schon extrem hoch jetzt hat sich die Lage aber noch mehr zugespitzt. Ich kenne viele, die ihre Arbeit verloren haben und / oder Arbeit suchen. Und falls sie Arbeit finden, ist sie oft sehr schlecht bezahlt. Die immer mehr steigenden Preisen hier in Honduras fördert den Teufelskreis in die Armut umso mehr. Viele können seit mehreren Monaten die Rechnung für Elektrizität nicht bezahlen und leben so mit der Sorge, dass der Strom jeden Moment abgeschaltet wird.

Auch in einem Gespräch mit einer lokalen Ärztin kommt dieser Preisanstieg zur Sprache: die Medikamentenpreise sind seit der Pandemie um fast das Doppelte gestiegen!

Unsere Bibliothek läuft weiterhin und ist unsere kleine Oase. Schön zu sehen, wie neben den Kindern auch immer mehr Mütter kommen – zwar nicht unbedingt für die Betreuung der Kinder, sondern mehr als Treffpunkt für einen Austausch und ein Entfliehen vom Alltag. Es kommen spannende Themen und Fragen auf. Zum Beispiel hat mich eine 25jährige Mutter mit Entsetzen gefragt, wieso sie denn schon in den Wechseljahren sei! Sie hat ihre Hitzewallungen und eine (um 3 Tage) verspätete Menstruation mit den Wechseljahr-Symptomen gleichgesetzt! Ein kleiner Nachmittags-Tratsch mit vielen wichtigen Frauenthemen : )

30. April – Das tägliche Leben in Honduras

Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in meinem Heimatland bin ich wieder zurück in Honduras und im Dorf-Alltag.

Die Situation in Honduras ist angespannt; es waren Vorwahlen für die im November stattfindenden Präsidentschaftswahlen. Was ich von den meisten Personen gehört habe, ist vor allem Enttäuschung und wenig Hoffnung auf faire und demokratische Wahlen. Und dies zur Recht: die Vorwahlen sind bereits von Korruption überschattet, was die Hoffnung auf faire Wahlen im November sehr schmälert.

Meine Nachbarin hat mir erzählt, wie die Vorwahlen hier im Dorf genau ablaufen: Jede grosse Partei ist mit einem Tisch und einigen Personen im Saal vertreten. Wenn man seinen Wahlzettel abgeben möchte, begibt man sich zum entsprechenden Tisch der Partei und übergibt ihn. Von Privatsphäre keine Spur; es weiss danach das ganze Dorf, für welche Partei man gestimmt hat. Dies kann unangenehme Folgen haben – unter anderem kann man seinen Job verlieren, wenn man nicht die aktuelle Partei an der Macht wählt.

Eine andere Nachbarin, die im öffentlichen Spital als Pflegefachfrau arbeitet, erzählte mir, dass bei allen Angestellten im Januar umgerechnet fast 250.- vom Lohn abgezogen worden sind. Als sie nach dem Grund fragte, bekam sie als Antwort, dass es für die National-Partei ist; also jene Partei, welche zurzeit an der Macht ist. Es werden also einfach so, ohne einen klaren Grund, mehr als ein Drittel vom Lohn für die Partei abgezogen. Es kann die Frage hochkommen, wieso sich die Angestellten nicht wehren; die Antwort darauf ist ziemlich klar und traurig sogleich: es sei halt so und wenn es ihnen nicht passt, können sie gehen. Es gibt ja genug Personen, die Arbeit suchen…

Die Covid-Situation hier ist nach wie vor sehr unklar. Die Spitäler sind weiterhin überfüllt, es mangelt an Sauerstoff und Medikamenten. Von der Regierung wird dieser Situation wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wichtiger sind jetzt die Wahlen. Sie geben Zahlen von Todesfällen bekannt, welche sehr unglaubwürdig sind.

Obschon anscheinend schon viele Angestellten von den Spitälern geimpft worden sind, hat die Bevölkerung noch nichts von den Impfungen gesehen. Viele Honduranerinnen und Honduraner von der Mittel- und Oberschicht kaufen sich ein Ticket in die USA und impfen sich dort. Es ist traurig zu sehen, dass es in einem Land, welches so Nah an Honduras grenzt, genügend Impf-Dosen für die sogenannten Impf-Touristen hat, während hier in Honduras die Impfungen in einem gewaltigen Geld-Geschäft gehandelt werden. Es gilt wieder einmal: Wer Geld hat, kann sich alles kaufen – sogar die Gesundheit.

Der Schulunterricht wird hier nach wie vor online durchgeführt. Das heisst, dass die Mütter die Hausaufgaben jeweils per Whats-App erhalten und die Kinder dürfen jeweils am Montag in der Schule vorbei, um ein Manuskript mit den jeweiligen Themen abzuholen. Für ganz viele Kinder ist es schwierig, den Schulstoff nur anhand eines Manuskriptes zu verstehen. Keine Erklärungen, keine Person, die gefragt werden könnte. Am schwierigsten ist es für die Kinder, welche jetzt in der 2. Klasse sind. Da letztes Jahr keine Schule war, haben sie nicht lesen, geschweige denn die Buchstaben oder Nummern kennengelernt. Da die Regierung verboten hat, dass ein Kind die Klasse wiederholt (und es ist wirklich so: viele Mütter haben mir erzählt, dass sie gewünscht haben, ihre Kinder sollen die Klasse wiederholen. Sie haben jedoch die Antwort erhalten, dass kein Kind die Klasse wiederholen kann), müssen nun also die Kinder den Schulstoff der 2. Klasse lernen, ohne Lesen oder Schreiben zu können.

Unsere kleine Bibliothek wurde während meiner Abwesenheit von zwei sehr engagierten Frauen weitergeführt. Die Kinder kommen immer noch gerne und zahlreich vorbei. In der Bibliothek machen wir jeweils den ersten Teil etwas Didaktisches (Lesen, Farben lernen, Nummerieren,…) und im zweiten Teil dürfen sie spielen. Im Didaktischen Teil sitzen jeweils die Kinder, welche gerne mitmachen wollen, im Kreis und nehmen teil. Die kleineren Kinder oder die, welche nicht mitmachen wollen, vergnügen sich in dieser Zeit mit den Puzzles oder Spielsachen.

Es ist immer wieder eindrücklich zu sehen, wie sehr die Kinder es geniessen, einfach spielen zu können. Die Mädels lieben es zu basteln! Sie können sich stundenlang mit Bastelarbeiten beschäftigen und zeigen uns danach stolz ihre Arbeit. Es kommt mir immer so vor, als ob diese Stunden in der Bibliothek wie eine kleine Inseln der Erholung und des Alltags-Vergessen für uns alle ist.

15. Dezember – Das tägliche Leben in Honduras

Der letzte Monat dieses Jahres ist da. In vielen Teilen von Honduras herrscht keine wirkliche Weihnachtsstimmung. Mittlerweile ist fast ein Monat vergangen, seit die zwei Hurrikans für Verwüstung im ganzen Land gesorgt haben. Tausende Personen können immer noch nicht in ihre Häuser zurückkehren – sofern sie ihr Haus nicht verloren haben. Sie leben weiterhin unter Brücken oder in den Auffangzentren, welche von der Regierung zur Verfügung gestellt worden sind. Gerade letzte Woche sind wieder mehrere sexuelle Übergriffe auf Minderjährige in diesen Auffangzentren ans Licht gekommen. Diese Tatsache stimmt mich sehr traurig; diese Personen haben schon genug Probleme (keine eigene Unterkunft, kein Geld, ganzes Hab und Gut verloren) und nun noch die Sorgen um die persönliche Sicherheit in diesen Auffangzentren…

Bei uns im Dorf ist der „normale“ Alltag wieder eingekehrt. Leider warten meine Nachbarn immer noch auf Unterstützung; ihre Küche wurde durch einen kleinen Erdrutsch beschädigt und sie haben um Hilfe bei der Gemeinde angefragt. Obwohl der Gemeinderat diese versprochen hat, sehen sie bis jetzt nichts von dem.

Viele gehen diesen Monat in die Hauptstadt um selbstgemachte Brote, Kekse oder Weihnachtsdekorationen zu verkaufen. Dies bringt oft ein kleines Extra-Geld, um seinen Kindern wenigstens ein einfaches Weihnachtsgeschenk zu kaufen.

Und wie die Schule nächstes Jahr weitergeht, ist weiterhin unklar. Die Mütter haben mir erzählt, dass sie letzte Woche ein Treffen mit dem Lehrer hatten und er sie informierte, dass alle Schülerinnen und Schüler die Klasse bestanden haben und somit das nächste Jahr das Schuljahr nicht wiederholen müssen. Dies sei eine Entscheidung von der Regierung, quasi als „Motivation“ für die Kinder. Jetzt haben also die ganzen schulpflichtigen Kindern in Honduras das Schuljahr bestanden, obwohl sie das ganze Jahr lang keine Schule hatten und nur wenige überhaupt Hausaufgaben erhalten haben. Die Kinder, welche dieses Jahr die erste Klasse besuchten, kommen nächstes Jahr direkt in die zweite Klasse, ohne Lesen zu können oder die Buchstaben zu kennen…

Umso wichtiger war unsere Bibliothek also in den letzten Monaten. Dort konnten die Kinder wenigsten einige didaktische Sachen machen oder ihre Kreativität bei einer WC-Papier Rolle ausüben und daraus einen Weihnachtsbaum basteln ☺ Mit grosser Freude konnten wir auch einige Frauen in unserem Team begrüssen, welche uns nun helfen, die Bibliothek zu führen.

Eine kleine Information: Da ich in der nächsten Zeit einen Heimaturlaub mache, werde ich leider keine Berichte schreiben können. Sobald ich jedoch zurück in Honduras bin, dürft ihr gerne wieder von mir lesen.

Schöne Weihnachten, Feliz Navidad !

1. Dezember – Das tägliche Leben in Honduras

Der Monat November ist vorbei. Fast fehlen mir die Worte, um die Erlebnisse dieses vergangenen Monates zu beschreiben: Angst, Trauer, Ungewissheit? Wut, Hoffnungs- und Machtlosigkeit? Keines dieser Worte trifft die erlebten Gefühle, welche wir hier in Honduras diesen Monat erlebt haben.

Anfang November hat der Hurrikan „Eta“ Honduras hart getroffen. Wind und Regen waren unsere Begleiter für fast eine Woche, pausenlos! Man hat dem Regen zugeschaut und es war einfach kein Ende in Sicht. Endlose Machtlosigkeit machte sich breit… Der Hurrikan „Eta“ ist in Nicaragua auf Land getroffen und ist dann über Honduras nach Guatemala gezogen. Er hat viel Regen mit sich gebracht; zu viel Regen. Im Norden standen (und stehen immer noch) ganze Stadtgebiete und Dörfer unter Wasser. Personen haben zum Teil tagelang auf ihren Dächern auf Hilfe gewartet. Tausende haben ihr Zuhause verlassen müssen mit dem Nicht-wissen, wann und ob sie überhaupt dorthin zurück gehen können. Die Folgen waren verheerend: viele Erdrutsche, über die Ufer getretene Flüsse, viele hatten tagelang keinen Strom, Staudämme erreichten ihre Maximalkapazität und es musste Wasser abgelassen werden; also noch mehr Wasser für die Flüsse.

Und dann, nach einer Woche, kam langsam wieder die Sonne hervor und hat (wenn auch wenig) Linderung gebracht: die Erde konnte langsam trocknen, Flüsse gingen langsam auf ihren Normalstand zurück und es gab ein „Aufschnaufen“.

Als dann nach einer Woche Sonne die Nachricht kam, dass sich ein weiterer Hurrikan annähert, dachten viele von uns: Das ist doch jetzt wohl ein schlechter Scherz, oder?! Zwei Hurrikans innerhalb von drei Wochen? Viele wollten es nicht glauben… doch gab es keine Zweifel: der zweite Hurrikan „Iota“ ist fast genau wie „Eta“ vor zwei Wochen in Nicaragua auf Land getroffen und dann über Honduras nach El Salvador gezogen. Ich weiss nicht, wie ich diese Hoffnungslosigkeit, dieses „Warum noch einmal“, dieses Gefühl von Ungerechtigkeit und eine mitschwingende Wut sowie Angst in Worte beschreiben soll.

Der zweite Hurrikan „Iota“ brachte wieder viel Wind, Unmengen an Regen und eine gewaltige Zerstörung mit sich. Und das über einem Land, welches sich immer noch nicht vom letzten Hurrikan erholt hat.

Der Regen ist auf einen immer-noch feuchten Erdboden geprasselt; also auf eine Erde, die kaum Kapazität hatte, noch mehr Wasser aufzunehmen. Mehr Erdrutsche, mehr Überschwemmungen, mehr Personen ohne ihr Daheim und mehr überfüllte Staudämme waren die Folgen. In vielen Gebieten sind ganze Dörfer durch einen Erdrutsch weggeschwemmt worden. Die Anzahl der Todesopfer steht noch nicht offiziell fest; es werden noch Wochen vergehen müssen, um die genaue Anzahl bestimmen zu können. Denn man weiss nicht, wie viele Personen unter den Schlammlawinen begraben sind, wie viele Personen sich irgendwohin geflüchtet haben und wie viele Personen anderswo Zuflucht suchten.

Quelle: https://es-us.vida-estilo.yahoo.com/honduras-cientos-miles-viven-albergues-010426843.html

Jetzt, knapp eine Woche nach dem letzten Sturm, gibt es für viele immer noch kein Aufatmen. Der Regen hat zwar nachgelassen, die Sonne scheint ab und zu, aber es regnet immer noch jeden Tag für ein paar Stunden. Viele Personen sind immer noch in den Auffangzentren, welche von der Regierung zur Verfügung gestellt worden sind. Die Situation in diesen Auffangzentren wird als nicht einfach beschrieben: sexuelle Übergriffe und Korruption herrscht leider auch dort. Deshalb gibt es viele Personen, die ihr weniges Hab und Gut genommen haben und seit den Hurrikans unter einer Brücke wohnen… in der Hoffnung, dass sie bald zurückkehren können.

Das Problem Corona ist in den Hintergrund gerückt, obwohl in den Auffangzentren viele Personen auf einem kleinen Raum ohne Schutzmassnahmen zusammen sind. Und somit ist das Ansteckungsrisiko mehr als hoch. Aber dieses Risiko nimmt man in Kauf; man hat oft auch einfach keine andere Wahl.

Für mich ist es überwältigend zu sehen, wie gross die Hilfsbereitschaft von vielen Honduranerinnen und Honduranern ist! Viele Familien haben Kleider gespendet; obwohl sie sonst schon nur vier T-Shirts besitzen, haben sie ein T-Shirt für die Personen gespendet, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Es gab auch verschiedene Aktionen, in welchen Frauen sich zusammen getan haben und Essen für die Personen unter den Brücken gekocht haben…

Hier im Dorf sind zum Glück keine grösseren Schäden entstanden. Doch da das Dorf in einer Risikozone für Erdrutsche steht, sind doch einige Familien evakuiert worden. Bei meiner Nachbarin ist die Hauswand durch einen kleinen Erdrutsch beschädigt worden, glücklicherweise sind aber die meisten Häuser von den vielen Erdrutschen verschont geblieben. Und die Tatsache, dass wir fast 5 Tage keinen Strom hatten, ist eines der kleinsten Übel.

Unsere Bibliothek konnten wir aus Sicherheitsgründen während des Regens nicht öffnen. Umso motivierender und erfrischender war es, als wir die Bibliothek wieder öffnen konnten und die Unbeschwertheit der Kinder geniessen konnten.