27. September – Das tägliche Leben in Honduras

In den letzten zwei Monaten war auf politischer Ebene viel los, wie fast jeden Monat😊 Die aktuelle Präsidentin und ihre Partei haben ein Aushändigungs- Abkommen mit den USA beendet. Somit kann ab sofort niemand mehr an die USA ausgeliefert werden. Dies hat für viel Aufsehen gesorgt, denn Honduras ist politisch wie auch wirtschaftlich sehr abhängig von dieser grosser Nation. Viele korrupte Personen, welche hier in Honduras keine gerechte Strafe erhalten, oftmals nicht einmal in Betracht zu einer Untersuchung gezogen werden, konnten “dank” des Abkommens in den USA vor Gericht gerufen und zur Rechenschaft gezogen werden. Auf der anderen Seite hat dies auch eine grosse Abhängigkeit mit diesem Land generiert, denn eigentlich sollte das Justizsystem des eigenen Landes solche Aufgaben übernehmen.

Eine andere, jedoch traurigere Neuigkeit war, dass Juan Lopez, ein Menschenrechtsaktivist, ermordet worden ist; dies ist leider keine Seltenheit hier in Honduras. Verantwortlich für solche Ereignisse sind oft internationale Konzerne, für welche solche Aktivisten und Aktivistinnen ein grosses Hindernis für ihre korrupten Geschäfte sind. Laut dem Bericht von “Global Witness” ist Honduras das Land mit der höchsten Mordrate pro Kopf bei Menschenrechtsverteidiger:innen 🙁

Der Monat September ist der Patria gewidmet. Am 15. September ist Unabhängigkeit-Tag und dies wurde wie jedes Jahr sehr gross gefeiert. Dieses Jahr hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer pensionierten Lehrerin, welche mir erzählte, dass die Kostüme für die Paraden (welche jeweils an diesem Tag in allen Städten durchgeführt werden) sehr teuer sind. Einige kosten umgerechnet fast 3000 Schweizer Franken! Der soziale Druck ist für einige Familien so stark, dass sie sich verschulden, um ihren Kindern ein “würdiges” Kostüm für die Parade zu ermöglichen.

Eines der Kleider, die am Unabhängigkeit-Tag getragen werden.

Auch das Thema Elektrizität sorgt hier in Honduras oft für viel Aufsehen. Momentan wird einmal pro Woche Unterhaltsarbeiten durchgeführt, somit haben wir an diesem Tag von morgens bis meistens spät am Abend kein Strom. Vorinformiert wird nicht, plötzlich ist der Strom weg, was oft sehr unbequem ist. Bei uns im Haus ging eine Stromleitung kaputt und da der öffentliche Stromversorger solche Sachen nicht repariert, haben wir einen Nachbarn um Hilfe gebeten, welcher Erfahrung mit diesen Problemen hat. Er ist auf den hohen Strompfosten gestiegen mit selbstgebastelten Schuh-Hacken (siehe Foto). Als ich ihn gefragt habe, woher diese Idee kam, erzählte er mir, dass er dies bei einem Arbeitskollegen gesehen und nachgebaut hat. Ich war sehr verblüfft und musste etwas schmunzeln; da der Staat hier oft keine grosse Hilfe ist, wissen sich die Leute selbst zu helfen! Unser Strom funktioniert seitdem wieder tiptop.

Unsere Bibliothek läuft wie gewohnt weiter. Letzten Donnerstag ist mir aufgefallen, dass ein Junge sehr bedrückt wirkt. Ich konnte ihn zu einem Puzzle überreden und da erzählte er mir, dass seine Mutter zu ihrem neuen Freund in die Hauptstadt gezogen ist. Seine Mutter hat ihn bei der Tante und Grossmutter gelassen, welche weiterhin hier im Dorf wohnen. Als er mir dies unter Tränen erzählte, wurde mir das grosse ethische Dilemma bewusst; was ist besser beziehungsweise schlechter für ihn? Getrennt von seiner Mutter leben, dafür aber in einem relativen gesunden sozialen Umfeld wie bei uns im Dorf? Oder bei seiner Mutter in der Hauptstadt in einem Gang-Viertel, wo die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er irgendwann in die Gang einsteigen wird? Eine schwierige Situation. Für den 7-jährigen Jungen ist aber klar: er möchte bei seiner Mutter leben…

Wenn ich solche Geschichten höre, wird mir jeweils bewusst, wie wichtig Projekte wie unsere Bibliothek sind. Einen Ort, wo den Kindern eine sichere Umgebung geboten wird und sie ihre Sorgen von der Seele reden können. Ausserdem entstehen immer wieder Situationen, die mich zum Lachen bringen: da wir in der Bibliothek keine Unterscheidung zwischen Frauen- und Männerarbeiten machen, habe ich letzte Woche Josue mitgenommen, um das Bad zu reinigen. Er meinte zu Beginn, dass er dies zu Hause nie machen muss und er es sehr eklig finde. Er kam trotzdem mit und ich habe ihm gezeigt, wie es gemacht wird. Er half mit überraschender grosser Motivation mit und am Ende meinte er, dass es ja gar nicht so schlimm sei, WC zu putzen 😊

22. Juli – Das tägliche Leben in Honduras

Anfang Juni begann es endlich zu regnen! Doch der Regen, welcher im Monat Mai gefehlt hat, kam im Juni und Anfang Juli zusammen. Es hat fast täglich geregnet, was vor allem im Süden von Honduras Probleme verursacht hat. Die Erde war von der langen Trockenzeit völlig ausgetrocknet und konnte die grosse Wassermenge gar nicht aufnehmen. So waren bereits nach einigen Regentagen viele Flüsse über die Ufer getreten und viele Familien mussten evakuiert werden wegen Überschwemmungs- oder Erdrutschgefahr. Von extremer Trockenheit zu Überschwemmungen… Mittlerweile hat sich der Regen etwas eingependelt und wir sind im “normalen Regenrythmus” der Regenzeit, was bedeutet, dass es meistens einmal pro Tag regnet und dann die Sonne wieder raus kommt 😊

Dass in Honduras viele öffentliche Sektoren mit einem sehr geringen Budget arbeiten müssen, ist bekannt. Und doch war ich überrascht und musste etwas schmunzeln, als ich erfahren habe, dass momentan keine Autoschilder gedruckt werden können. Anscheinend fehlt es an Material… So werden Autoschilder auf Papier gedruckt und der Besitzer oder die Besitzerin des Autos darf selbst schauen, wie es am Auto angebracht werden kann.

Auch der öffentliche Gesundheitssektor erhält sehr wenig Geld vom Staat. Das Erlebnis unserer Nachbarin hat mich wieder einmal an der Realität des Landes teilhaben lassen, mit grossem Kopfschütteln: Unsere Nachbarin, eine vierfache Mutter, muss sich ihre Gallenblase entfernen lassen. Im März hat sie es erfahren, der Operationstermin war jetzt im Juli. Diese lange Wartezeit ist leider nichts aussergewöhnliches in den öffentlichen Spitälern… So ging unsere Nachbarin am Donnerstag ins Spital, der Operationstermin war dann am nächsten Tag. Am Freitagmorgen bekam sie die Information, dass dem Arzt etwas “dazwischen gekommen” ist und sie erst am Montag operiert wird. Sie müsse jedoch im Spital bleiben, ansonsten würde sie ihren “Platz” verlieren und somit auch die Operation. Also blieb sie über das Wochenende im Spital, und dies nur um dann am Montagmorgen zu erfahren, dass der Operationssaal “infiziert” ist und die Operation nicht stattfinden kann. Mehr Informationen bekam sie nicht. Sie wurde am selben Tag entlassen und wartet jetzt auf einen neuen Termin. Sie erzählte mir unter Tränen, dass es ja nicht nur um die Operation geht, sondern dass es für sie auch schwierig war, ihre vier Kinder für so lange unterzubringen und dass sie vier Tage der Arbeit verloren hat. Hier in Honduras gilt meistens der Satz: Nicht gearbeitet – kein Lohn an diesem Tag.

Eine freudige Nachricht für uns kam Anfang Juli. Wir durften endlich wieder den Gemeindesaal für unsere Bibliothek benützen und so den Donnerstagnachmittag mit Spielen und Malen dort geniessen. Es war so schön und berührend zu sehen, wie die Kinder mit freudigen Augen herein gestürmt kamen 😊

3. Juni – Das tägliche Leben in Honduras

    Der Monat Mai war klima-technisch sehr schwierig. Der Regen, welcher normalerweise Anfangs Mai einsetzt, kam erst in der letzten Maiwoche. Das Wasser wurde überall knapp, doch das Schlimmste war die Luftqualität. Durch die vielen Waldbrände gab es einen Smog über Honduras, welcher das ganze Land mit einer dicken Rauchwolke bedeckte. Laut der Luftqualität-App “IQ-Air” war Honduras weltweit das Land mit der höchsten Kontamination! Es kann sich so vorgestellt werden, als ob man Tag und Nacht neben einem Lagerfeuer sitzt und den Rauch einatmet. Wohnung, Kleider, Bettwäsche; alles hat nach Rauch gerochen. Die Regierung hat einen Notstand ausgerufen mit den Massnahmen, dass alle Staatsangestellten Homeoffice machen müssen und der Aufenthalt im Freien sollte kurzgehalten werden. Dies war für viele hier ein schlechter Witz, denn wie es die Honduraner so passend ausdrücken: “Si no salgo, no como!” (Wenn ich nicht rausgehe (gemeint ist die Arbeit oder aufs Feld), habe ich kein Essen). Mit dem Regen, welcher in den letzten Tagen endlich gekommen ist, gab es eine grosse Linderung!

    Vor (oben) und nach (unten) dem Regen

    In der Politik ist das Thema momentan vor allem die nächsten Präsidentenwahlen, welche im November 2025 stattfinden werden. Es ist schon erstaunlich, wie mehr als ein Jahr vor den Wahlen sich schon alles darum dreht. Deswegen werde ich für dieses Mal den Politik-Teil kurzhalten, dafür die Darmentleerung ansprechen 😊 Näheres kommt weiter unten.

    Viele der Honduranerinnen und Honduranern kochen nach wie vor mit Feuer und für dies wird Feuerholz benötigt. Das Holz wird im nahegelegenen Wald gesammelt und oft müssen die Kinder mithelfen. Als letzte Woche ein paar Geschwister an unserem Haus mit Holz vorbei gingen, fragte ich sie, ob heute keine Schule sei. Sie haben sich etwas unsicher untereinander angeschaut und schliesslich flüsterte mir die Älteste, dass sie Holz sammeln mussten. Und da wurde mir wieder einmal bewusst, wie oft falsch geurteilt wird. Denn für die Familie (welche in diesem Fall alleinerziehende Mütter sind), stellt sich die Frage: Ist es wichtiger, meine Kinder heute in die Schule zu schicken oder sie Holz sammeln gehen lassen, damit ihnen Essen gekocht werden kann? Eine Frage, welche für uns in Europa nicht vorstellbar ist, denn wir drehen morgens einfach die Herdplatte an und können kochen…

    Und nun zum Thema Darmentleerung 😊 Ich finde die kulturellen Unterschiede immer wieder spannend und da wir momentan an einem Zimmer mit Bad am Bauen sind, möchte ich gerne darüber berichten, wie die menschlichen Ausscheidungsprodukte hier in Honduras gehandhabt werden: Viele Familien in den ländlichen Gebieten besitzen noch die sogenannten Plumsklos und die “fosa septicas”. Für diese “fosa septica” wird ein 2.50 Meter tiefes Loch in die Erde gegraben und mit alten Lastwagenpneus ausgelegt, welche zur Stabilität dienen. Über die “fosa septica” kommt eine Beton-Platte und die Rohre gehen dann vom WC in dieses “Loch”. Ich stellte dann die Frage, was passiert, wenn dieses Loch voll wird? Anscheinend sei dies sehr schwierig, denn vieles zergeht mit der Natur. Ansonsten gäbe es anscheinend Firmen, welchen den Service anbieten, diese Löcher zu leeren. Spannend 😊

    Da im Gemeindezentrum nach wie vor gebaut wird, vergnügen wir uns mit der Bibliothek immer noch im Wald. Letzte Woche haben wir Wald-Mandalas gelegt mit all den vielen Materialen, welche im Wald zu finden sind. Wir hoffen jedoch, dass wir bald wieder in “unsere “ Bibliothek gehen dürfen!

    27. April – Das tägliche Leben in Honduras

    Der Monat März brachte für viele Honduranerinnen und Honduraner eine freudige Nachricht: Der Ex-Präsident von Honduras, Juan Orlando Hernandez, wurde in den USA schuldig gesprochen! Die Dauer der Strafe ist noch nicht festgelegt, doch für viele ist es schon eine “Befriedigung” für die jahrelange, gelebte Korruption unter dem Ex-Präsidenten. Wir sind gespannt auf Juni, voraussichtlich wird dann die Strafe definiert. Die Ehefrau von Juan Orlando betont zwar immer wieder an öffentlichen Zusammenkünften, dass ihr Mann unschuldig sei und geht sogar so weit, dass sie angekündigt hat, sich als Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen vom nächsten Jahr zu stellen. Dies in der gleichen Partei wie ihr Mann; der rechten “Nacional”. Ob das so einfach ist, wird bezweifelt.

    Auch die aktuelle Partei, die linke “Libre”, bereitet sich auf die Präsidentschaftswahlen vom nächsten Jahr vor. Eine mögliche Kandidatin könnte wieder eine Frau sein, auch hier sind wir gespannt. In Honduras werden alle vier Jahre ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt. Eine Wiederwahl ist nämlich gemäss der Verfassung nicht möglich. Wenn man es sich genau überlegt, ist dies eine sehr kurze Zeit, um etwas bewirken zu können. Denn nach drei Jahren Amtszeit wird der Fokus schon wieder auf die nächsten Wahlen gelegt…

    Im Monat April gab es viele Waldbrände. Dies ist zwar nichts Neues für diese Jahreszeit, und doch ist es immer wieder traurig zu sehen, wie viele Wälder vom Feuer zerstört werden. Der Auslöser der Waldbrände sind oft die Menschen; leider. Letzte Woche gab es ein grosses Feuer in der Nähe der Hauptstadt, welches die ganze Stadt inklusiv der Nachbargemeinden, so auch uns, in eine grosse Rauchwolke eingebettet hat…

    Waldbrand im Nationalpark La Tigra, Tegucigalpa
    Quelle: elherlado.hn 

    Ein Thema, welches mich ebenfalls immer wieder traurig macht, ist die Gleichstellung von Frau und Mann. Dies zeigt das Beispiel von Johanna (Name geändert), welche im Nachbarsdorf wohnt. Sie ist 14 Jahre jung und besucht die sechste Klasse! Sie hat eine Lernschwäche und da für sie die Möglichkeit fehlt, angepasst begleitet zu werden, wird sie seit einigen Jahren in der sechsten Klasse behaltet. Sie kam regelmässig in die Bibliothek und ist ein sehr fröhliches und kreatives junges Mädchen. Anfang April hat sie mir verkündet, dass sie leider nicht mehr kommen könne, auch die Schule wird sie nicht mehr besuchen. Ich fragte sie nach dem Grund und sie antwortete mir, dass ihre Mutter bald ihr sechstes Kind bekommen wird und da Johanna die älteste ist, wird sie zu Hause den Haushalt führen müssen. Sie erzählte mir, dass sie ja diejenige ist, welche nicht in die Schule gehe und deswegen sei es “normal” für sie, dass sie den Haushalt übernehmen wird. Ich empfand eine grosse Traurigkeit für Johanna; sie passt nicht in das aktuelle Schulsystem rein, ist jedoch so ein spezielles Mädchen, welches mit 14 Jahren bereits erwachsen sein muss und einen Haushalt führen wird… Dies ist leider die Realität von so vielen jungen Mädchen hier.

    Letzte Woche habe ich eine Nachbarin getroffen, welche im Mai ihr zweites Kind erhalten wird. Ich habe ihr freudig gratuliert, da ich wusste, wie sehr sie sich ein zweites Kind gewünscht hat. Sie nahm die Gratulation nur zögerlich an und liess mich dann wissen, dass es wieder ein Mädchen sein wird. Ihr erstes Kind ist bereits ein Mädchen und anscheinend wollte ihr Partner unbedingt ein Junge haben. Für mich ist es immer wieder erschreckend, wie sehr die Tatsache, ein Junge zu gebären, hier einen hohen Stellenwert hat!

    In der Bibliothek versuchen wir daher immer und immer wieder, den Kindern die Gleichstellung von Frau und Mann nahe zu bringen. Wir haben im März einen erneuten Kunstworkshop durchgeführt, wo die Kinder und Jugendliche gelernt haben, Portraits und Gesichtsausdrücke zu zeichnen. Die kleineren Kinder konnten sich im freien Malen üben und es ist schön zu sehen, wie sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen!

    Da das Gemeindezentrum, wo unsere Bibliothek steht, für die nächsten zwei Monaten anders verwendet wird, haben wir unser Spiel- und Bastelnachmittag in den Wald verlegt.😊 Nun gehen wir jeden Donnerstag in den Wald, bauen Hütten, spazieren, nehmen Malsachen oder ein Buch mit und geniessen es. Die Kinder lieben es, sich im Wald frei zu bewegen und so haben wir eine freudige Alternative zur “Raum”-Bibliothek gefunden 😊

    2. März – Das tägliche Leben in Honduras

    Nach einer längeren Pause bin ich wieder zurück in Honduras und nehme das Schreiben wieder auf😊

    Das Jahr 2023 ging mit einer milden Regensaison zu Ende, glücklicherweise gab es keine grossen Schäden wegen des Regens. Auf politischer Ebene ging es weniger mild zu und her. Das grosse Thema ist das momentan laufende Gerichtsverfahren gegen den Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernandez in den USA. Er steht in New York wegen Drogenhandels und Verwicklung in bewaffnete Straftaten vor Gericht. Festgenommen und ausgeliefert wurde er bereits kurz nach dem Ende seiner Präsidentschaft im Jahr 2022. Die Gesellschaft ist sehr gespalten bezüglich dieses Themas; die einen stehen hinter ihm und sind empört, dass “ihr” Ex-Präsident so behandelt wird. Die andere Hälfte hofft auf Gerechtigkeit und dass eine gerechte Strafe erteilt wird. Es bleibt also spannend…

    Das Thema USA ist auch hier im Alltag sehr präsent; fast wöchentlich vernehme ich, wie sich Familienangehörige von Bekannten auf den Weg in die USA gemacht haben. Als ich letzte Woche beim Früchtestand einkaufen ging, erzählte mir der knapp 14jährige Verkäufer, dass sein Vater sich vor zwei Wochen auf den Weg in die USA gemacht hat, um dort einen besseren Job zu finden. Der Früchtestand hat er seinem Sohn, dem 14jährigen Verkäufer, vererbt. Um am Stand präsent zu sein, musste der Junge die Schule abbrechen und hofft, dass sein Vater bald in den USA ankommt und Arbeit findet. Auch der Sohn unserer Nachbarin, welcher 18 Jahre alt ist, hat mir vor Kurzem erzählt, dass er sich bald auf den Weg “Richtung Norden” machen wird. Oft gehen sie mit einem Freund oder “kaufen” sich ein sogenannter Coyote; quasi ein Expert, der den Weg von Honduras an die amerikanische Grenze gut kennt, überall Kontaktpersonen hat und hilft, über die Grenze zu kommen.

    Dass das Leben für Migranten in den USA oft schwer ist, zeigt das Beispiel von Hector (Name geändert). Er bekam letztes Jahr im Juni ein sechs-monatiges Arbeitsvisum für die USA, ist jedoch noch einem Monat vom Arbeitsort weggegangen in einen anderen Staat. Dort hat er gearbeitet, bis er vor einigen Wochen krank geworden ist. Eine Bauch-Hernie erschwert ihm das Leben und eine Operation ist nötig. Da er keine Versicherung hat, kann er sich die Operation nicht leisten und fehlt immer wieder bei der Arbeit. Er möchte eigentlich zurück nach Honduras kommen, doch das ist gar nicht so einfach: Entweder kommt er auf “illegalem” Weg zurück nach Honduras oder er kann das Geld für einen Flug auftreiben. Jedoch kommt dann hinzu, dass sein Visum bereits abgelaufen ist und er sich der Migrations-Polizei stellen müsste. Eine schwierige Situation, welche aufzeigt, dass die Migranten und Migrantinnen oft ein schweres Leben in den USA führen.

    Das öffentliche Gesundheitssystem ist nach wie vor überfordert. Meine Nachbarin erzählte mir letztes Mal ihre Erfahrung, wo ich nur kopfschüttelnd zuhören konnte: Da sie an einer Muskelerkrankung leidet, muss sie alle drei Monate ins Spital, um dort ihre Medikamente abzuholen und sich von der Ärztin untersuchen zu lassen. Als sie letztes Mal ging, gab es leider keine Medikamente – sie musste sie selber in die Apotheke kaufen und zahlen gehen. Und als sie vor einer Woche zu ihrem Termin ging, teilte ihr die Sekretärin mit, dass sie heute gar keinen Termin habe. Meine Nachbarin hat ihr den Brief mit dem Datum gezeigt und hat als Antwort erhalten: “Tut mir leid, es ist leider vergessen worden, ihr Termin in unserer Agenda zu notieren. Somit können Sie ihren Termin nicht wahrnehmen.” Und dies, nachdem sie 4 Stunden gewartet hat und mit Müh und Not das Geld für den Transport ins Spital zusammengebracht hat. So muss sie wieder drei Monate warten, bis sie ihren Termin (hoffentlich) wahrnehmen kann.

    Mit so vielen schwierigen Themen rundherum, freut es mich immer mehr, dass wir mit unserer Bibliothek eine “Insel” für die Kinder aufbauen konnten. In den Monaten Dezember und Januar konnten die Kinder an einem Ferienkurs teilnehmen, wo auf spielerische Weise Mathematik und Spanisch geübt wurde. So waren sie bestens vorbereitet, als diesen Monat die Schule wieder begonnen hat. Erfreulicherweise hat es nun einen Lehrer mehr an der Schule 😊 Dies ist ein grosser Schritt, nun hat jeder Lehrer zwei Klassen und nicht mehr (wie vorher) drei.

    Ab diesem Monat geniessen die Kinder wieder den Donnerstag-Nachmittag mit Spielen und Basteln. Und das Kreativ-Projekt wird ab März einmal pro Monat weitergeführt; jeden Monat wird es einen Workshop geben, entweder mit etwas Kreativem verbunden oder einen Waldtag 😊