In den letzten zwei Monaten war auf politischer Ebene viel los, wie fast jeden Monat😊 Die aktuelle Präsidentin und ihre Partei haben ein Aushändigungs- Abkommen mit den USA beendet. Somit kann ab sofort niemand mehr an die USA ausgeliefert werden. Dies hat für viel Aufsehen gesorgt, denn Honduras ist politisch wie auch wirtschaftlich sehr abhängig von dieser grosser Nation. Viele korrupte Personen, welche hier in Honduras keine gerechte Strafe erhalten, oftmals nicht einmal in Betracht zu einer Untersuchung gezogen werden, konnten “dank” des Abkommens in den USA vor Gericht gerufen und zur Rechenschaft gezogen werden. Auf der anderen Seite hat dies auch eine grosse Abhängigkeit mit diesem Land generiert, denn eigentlich sollte das Justizsystem des eigenen Landes solche Aufgaben übernehmen.
Eine andere, jedoch traurigere Neuigkeit war, dass Juan Lopez, ein Menschenrechtsaktivist, ermordet worden ist; dies ist leider keine Seltenheit hier in Honduras. Verantwortlich für solche Ereignisse sind oft internationale Konzerne, für welche solche Aktivisten und Aktivistinnen ein grosses Hindernis für ihre korrupten Geschäfte sind. Laut dem Bericht von “Global Witness” ist Honduras das Land mit der höchsten Mordrate pro Kopf bei Menschenrechtsverteidiger:innen 🙁
Der Monat September ist der Patria gewidmet. Am 15. September ist Unabhängigkeit-Tag und dies wurde wie jedes Jahr sehr gross gefeiert. Dieses Jahr hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer pensionierten Lehrerin, welche mir erzählte, dass die Kostüme für die Paraden (welche jeweils an diesem Tag in allen Städten durchgeführt werden) sehr teuer sind. Einige kosten umgerechnet fast 3000 Schweizer Franken! Der soziale Druck ist für einige Familien so stark, dass sie sich verschulden, um ihren Kindern ein “würdiges” Kostüm für die Parade zu ermöglichen.
Auch das Thema Elektrizität sorgt hier in Honduras oft für viel Aufsehen. Momentan wird einmal pro Woche Unterhaltsarbeiten durchgeführt, somit haben wir an diesem Tag von morgens bis meistens spät am Abend kein Strom. Vorinformiert wird nicht, plötzlich ist der Strom weg, was oft sehr unbequem ist. Bei uns im Haus ging eine Stromleitung kaputt und da der öffentliche Stromversorger solche Sachen nicht repariert, haben wir einen Nachbarn um Hilfe gebeten, welcher Erfahrung mit diesen Problemen hat. Er ist auf den hohen Strompfosten gestiegen mit selbstgebastelten Schuh-Hacken (siehe Foto). Als ich ihn gefragt habe, woher diese Idee kam, erzählte er mir, dass er dies bei einem Arbeitskollegen gesehen und nachgebaut hat. Ich war sehr verblüfft und musste etwas schmunzeln; da der Staat hier oft keine grosse Hilfe ist, wissen sich die Leute selbst zu helfen! Unser Strom funktioniert seitdem wieder tiptop.
Unsere Bibliothek läuft wie gewohnt weiter. Letzten Donnerstag ist mir aufgefallen, dass ein Junge sehr bedrückt wirkt. Ich konnte ihn zu einem Puzzle überreden und da erzählte er mir, dass seine Mutter zu ihrem neuen Freund in die Hauptstadt gezogen ist. Seine Mutter hat ihn bei der Tante und Grossmutter gelassen, welche weiterhin hier im Dorf wohnen. Als er mir dies unter Tränen erzählte, wurde mir das grosse ethische Dilemma bewusst; was ist besser beziehungsweise schlechter für ihn? Getrennt von seiner Mutter leben, dafür aber in einem relativen gesunden sozialen Umfeld wie bei uns im Dorf? Oder bei seiner Mutter in der Hauptstadt in einem Gang-Viertel, wo die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er irgendwann in die Gang einsteigen wird? Eine schwierige Situation. Für den 7-jährigen Jungen ist aber klar: er möchte bei seiner Mutter leben…
Wenn ich solche Geschichten höre, wird mir jeweils bewusst, wie wichtig Projekte wie unsere Bibliothek sind. Einen Ort, wo den Kindern eine sichere Umgebung geboten wird und sie ihre Sorgen von der Seele reden können. Ausserdem entstehen immer wieder Situationen, die mich zum Lachen bringen: da wir in der Bibliothek keine Unterscheidung zwischen Frauen- und Männerarbeiten machen, habe ich letzte Woche Josue mitgenommen, um das Bad zu reinigen. Er meinte zu Beginn, dass er dies zu Hause nie machen muss und er es sehr eklig finde. Er kam trotzdem mit und ich habe ihm gezeigt, wie es gemacht wird. Er half mit überraschender grosser Motivation mit und am Ende meinte er, dass es ja gar nicht so schlimm sei, WC zu putzen 😊