25. November – Das tägliche Leben in Honduras

November. Ein Monat, welcher von Anspannung und Unsicherheit geprägt ist. Am 28. November werden die Wahlen durchgeführt und überall ist die Anspannung deutlich spürbar. Die Nationale Partei, welche seit 12 Jahren an der Macht ist, macht viele Sachen, wo ich immer wieder nur den Kopf schütteln muss. Letzten Sonntag hat diese Partei zu einem Marsch in der Hauptstadt Tegucigalpa aufgerufen und Personen aus dem ganzen Land mit Bussen hergebracht. Es herrschte ein Chaos in der Hauptstadt und was nach dem Marsch übrig geblieben ist, war ein riesiger Müllhaufen. Die Politiker haben den Personen Getränke und Mittagessen verteilt. Viele dieser Personen waren Familien mit Kindern, die wenig finanzielle Mittel haben. Für diese Gruppe war es natürlich verlockend, einen „gratis“ Ausflug mit bezahltem Essen nach Tegucigalpa zu unternehmen. Die Gegenleistung besteht natürlich darin, die Mitglieder dieser Partei zu wählen.

Dies ist nur ein Beispiel von vielen, die ich gehört habe. Meine Nachbarin hat mir erzählt, dass ihrem Bruder 12’000 honduranische Lempiras (ca. 460 CHF) versprochen wurden, wenn er 20 Personen an die Urne bringt, welche für die Nationale Partei stimmen werden. Dies ist ein hoher Betrag wenn man bedenkt, dass ein Durchschnittseinkommen bei ca. 9‘000 HNL liegt. Gleichzeitig werden „Bonos“ verteilt für diejenigen Personen, welche sich schon geimpft haben. Da es hier wenig mit dem Virus Covid zu tun hat, ist dies sehr schnell zu durchschauen. Die Bonos werden erneut von der Nationalen Partei verteilt, um populärer zu werden und sich mehr Stimmen zu „kaufen“. Die Bonos bestehen meist aus Lebensmittel und / oder einem Geldbetrag.

Es wird sehr wahrscheinlich auch einen Lock-Down nach den Wahlen geben; nicht wegen dem Covid, sondern um die Proteste zu verhindern. Es bleibt spannend und wir hoffen alle, dass die Wahlen fair durchgeführt und dies auch von den internationalen Akteuren unterstützt wird.

Dass das Geld unfair verteilt ist, ist hier kein Geheimnis und tagtäglich wird man damit konfrontiert. Letzte Woche musste ich in das neue „Centro Civico“ gehen, wo sich seit kurzem alle öffentliche Büros befinden. Es ist ein pompöses Gebäude, welches der aktuelle Präsident hat errichten lassen. Das ganze Zentrum hat stolze 5 Milliarden honduranische Lempiras gekostet (mehr als 2 Millionen US-Dollars). Beim Eintreten kommt man sich vor wie in New York oder Zürich. Sogar das Lift-System ist so modern, dass ich als Schweizerin nicht wusste, wie zu bedienen ☺.

Das traurige ist, dass knapp ein Kilometer weit entfernt das öffentliche Spital steht, welches das letzte Mal vor fast 40 Jahren renoviert worden ist und beinahe auseinander fällt.

Covid ist in diesem Monat stark in den Hintergrund gerückt, da die Wahlen „wichtiger“ sind. Aber anscheinend wird nun ein negativer PCR-Test von den Personen verlangt, um sich die zweite Impfung zu verabreichen. Meine Nachbarin sucht seit einer Woche einen Ort, wo sie die zweite Impfdosis erhält.

Bei all diesen Geschichten, welche ich so oft von der Bevölkerung hier höre, bin ich immer wieder froh in unsere „Insel“, die Bibliothek, zu gehen. Da bald Weihnachten vor der Tür steht, sind wir in den Wald gegangen und haben einen passenden „Weihnachtsbaum“ gesucht – und auch gefunden. Es ist schön zu sehen, wie es die Kinder und auch Jugendliche erfreut, zu dekorieren und sich auf Weihnachten einzustimmen.

Mit dem Geld, welches wir während der Kleidertauschbörse gesammelt haben, ging ich mit den Kindern letzte Woche in einen Bücherladen und sie konnten voller Eifer Bücher auslesen, welche sie gerne lesen möchten. Somit lernen sie, das Geld sinnvoll einzusetzen und die Motivation zum Lesen wird angeregt ☺