Der Monat Mai hat begonnen und wir hier sind froh über den Regen, welcher dieses Jahr pünktlich eingesetzt hat. Die vielen Waldbränden, welche alle Jahre in der Trockenzeit vorhanden sind, wurden so gelöscht und es ist eine neue Energie spürbar.
Die Situation der Migranten und Migrantinnen in den USA ist nach wie vor sehr unsicher. Evelin, ein Mädchen, welches in die Bibliothek kommt, erzählte mir unter Tränen, dass ihr Vater in den USA vor einem Monat eingesperrt worden ist, da er keine gültige Aufenthaltsbewilligung hatte. Er kann seine Familie nun nur noch alle paar Wochen anrufen und dies für drei Minuten. Wann er zurück nach Honduras geschickt wird, ist unklar. Evelin und ihre jüngere Schwester wurden dieses Jahr in eine private Schule eingeschult, da ihr Vater das Geld hierfür monatlich gesendet hat. Nun ist es für sie unsicher, ob sie weiterhin in die private Schule gehen können oder zurück in die öffentliche müssen. Denn leider kann ihr Vater kein Geld mehr senden… Dieses Beispiel zeigt die unsichere Realität von vielen Familien hier in Honduras.
Die Betreuung der Kinder ist hier oft sehr herausfordernd. Die Kitas sind sehr teuer und wenige Familie können es sich leisten, ihre Kinder so betreuen zu lassen. Da die Eltern oft lange Arbeitstage haben, übernehmen die Grossmüttern, älteren Geschwistern oder manchmal sogar die Urgrossmüttern die Betreuung. Unsere Nachbarin, welche 75 Jahre alt ist, betreut an einigen Tagen drei Urgrosskinder. Eine andere Nachbarin betreut täglich ihre zwei kleinen Grosskindern plus noch zwei Nachbarskindern. Wenn die Grossmüttern keine Optionen sind für die Betreuung, greifen Müttern aus Not oft auf ihre ältesten Töchtern zurück. Gabi, ebenfalls ein junges Mädchen der Bibliothek, ist für die Betreuung ihrer drei jüngeren Geschwister zuständig. Dazu erledigt sie den ganzen Haushalt mit kochen, putzen und waschen. Sie ist 15 Jahre jung und ihre Mutter arbeitet von morgens bis abends, ihr Vater arbeitet in einer anderen Stadt und kommt nur alle zwei Wochen kurz nach Hause. So hat die Mutter von Gabi entschieden, dass Gabi unter der Woche den Haushalt und Kinderbetreuung übernimmt und am Samstag in eine Wochenendschule geht. Auch dies ist nur ein Beispiel von hunderten! Ein viel zu frühes Erwachsenwerden.
Aber auch die Söhne müssen oft viel zu früh Erwachsen werden und “Männer”-Hausarbeiten übernehmen. Da viele Elternpaare getrennt sind und die Kinder bei der Mutter aufwachsen, lastet eine grosse, unausgesprochene Verantwortung auf dem ältesten Sohn. Erik, ein Nachbarssohn, ist 20 Jahre jung, wird in den nächsten Monaten das erste Mal Vater und ging nur bis in die 9.Klasse. Da er der einzige Sohn seiner alleinerziehenden Mutter ist, musste / wollte er früh Geld verdienen, damit er die Mutter unterstützen kann. Und so sehr früh “erwachsen” werden.
Immer wenn ich solche Beispiele höre und miterlebe, erkenne ich einmal mehr die Wichtigkeit von sicheren Umgebungen für Kinder und Jugendliche, so auch der unserer Bibliothek. Hier können die Kinder und Jugendliche einfach sich selbst sein.

Die neue Bibliothek in La Union, dem Nachbarsdorf, läuft gut. Leider sind die beiden Mütter, welche mich anfangs unterstützt haben, nicht mehr so ganz motiviert. Aber die Kinder schon; letzte Woche kamen 21 Kindern und wir hatten schon fast ein Platz-Problem 😊 Um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, lasse ich sie momentan das machen, was sie gerne möchten. Und das ist bei fast allen Malen. Die Bilder sprechen oft mehr als viele Worte…
