31. Juli – Das tägliche Leben in Honduras

Die neue Präsidentin ist nun seit gut sechs Monaten im Amt und viele fragen mich, ob positive Veränderungen bereits sichtbar sind. Dies ist schwierig zu beurteilen, denn die Präsidentin allein kann keine Wunder vollbringen und es sind noch viele andere, machtvolle Akteure mit im Spiel.

Was ich aus der Sicht des täglichen Lebens sehen kann, ist eine allgemeine Zufriedenheit mit der politischen Lage. Vor allem mit der Subventionierung der Strompreise sind viele sehr zufrieden, denn Familien mit wenig finanziellen Ressourcen haben wenig oder gar keine Elektrizitätskosten mehr.

Gleichzeitig beeinflusst auch die globale Situation die Wirtschaft in Honduras. Die Preise für Lebensmittel und Benzin sind stark angestiegen, was für viele Honduraner und Honduranerinnen eine grosse Schwierigkeit darstellt.

Im Mai hat es begonnen zu regnen und in den vergangenen zwei Monaten ist viel Wasser gefallen. Die grossen Regenmengen stellen einerseits eine Erleichterung für den landwirtschaftlichen Sektor dar, andererseits bringen sie leider auch Überschwemmungen mit sich. Dies ist insbesondere eine Herausforderung, da noch nicht alle Schäden der letzten Hurricanes behoben sind (vor zwei Jahren suchten schlimme Unwetter Honduras heim). Die Massnahmen bezüglich Hochwasserschutz und Sicherung der Flussufer sind auch nach fast zwei Jahren nicht fertig umgesetzt und so sind diese Gebiete immer noch sehr anfällig auf grosse Wassermengen.

Ungesichertes Ufer des Rio Ulua

Das andere grosse Problem, welches vor allem die grösseren Städte betrifft: Abfall. Abfall, welcher nicht richtig entsorgt wird und auf den Strassen landet. Die Kanalisationen werden dadurch verstopft und verursachen so enorme Probleme. Es wird geschätzt, dass 85 % der Überflutungen und Überschwemmungen in der Hauptstadt Tegucigalpa aufgrund des nicht richtig entsorgten Mülls verursacht werden…

Letzte Woche durfte ich wieder etwas Neues über die honduranische Kultur erfahren: Unsere junge Nachbarin hatte vor drei Wochen einen Motorradunfall. Sie wurde von einer alkoholisierten Autofahrerin angefahren und hat sich das Bein gebrochen. Und hier wiederholt sich die traurige Realität der öffentlichen Spitäler: Sie musste fast zwei Wochen in der Notaufnahme verbringen, weil auf der chirurgischen Abteilung kein Platz frei war! Fast drei Wochen nach dem Unfall wurde sie endlich operiert und ist nun zu Hause für die Genesung. Als ich mich für den täglichen Verbandswechsel angeboten habe, wurde ich eines Besseren belehrt: Anscheinend gehen sie davon aus, dass Schwangere mit ihrem ersten Kind einen sehr starken, intensiven Blick haben und damit die Genesung negativ beeinflussen. Auch die Wunde durfte ich nicht begutachten, da anscheinend mein Blick ebenfalls zu stark ist. So ist es für mich immer wieder spannend mehr über die kulturellen Glaubenssätze zu erfahren!

Unsere Bibliothek läuft fleissig weiter; die Nachhilfe wird rege genutzt und die Kinder bringen ihre Fragen ein. Oft entstehen auch interessante Diskussionen bezüglich den Herausforderungen des Landes und es ist schön zu sehen, wie die Kinder mehr über die Hintergründe der aktuellen Situation wissen möchten.

Reger Spielnachmittag in der Bibliothek

Auch der Donnerstag-Spiel-Nachmittag wird weiterhin zahlreich besucht und es ist spannend zu sehen, wie die Kinder mit den gleichen Spielsachen immer wieder neue Ideen und Spiele finden.