28. Februar – Das tägliche Leben in Honduras

Und schon sind wir im zweiten Monat dieses Jahres. Auf politischer Ebene gibt es ein sehr zentrales Thema, nämlich die Wahlen eines neuen Obersten Gerichtshofes. Eine grosse Entscheidung für Honduras! Die Hoffnung der Honduranerinnen und Honduraner ist gross, dass faire Personen gewählt werden, doch leider wurden die Wahlen immer wieder verschoben und es herrschte ein grosser Machtkampf zwischen den verschiedenen Parteien. In den täglichen Gesprächen mit meinen Nachbarn und den Leuten im Dorf, merkte ich, dass eine grosse Enttäuschung vorhanden ist, und auch ein Nicht-Überrascht sein. Viele haben den Glauben an die Politikerinnen und Politiker verloren und interessieren sich deswegen nicht gross dafür. “Tenemos que comer de todos modos”, höre ich oft. Übersetzt heisst das: “Essen müssen wir ja so oder so”. Sie beziehen sich darauf, dass sie so oder so arbeiten müssen, damit sie etwas zu essen haben – ob jetzt mit einem neuen Gerichtshof oder nicht.

Wahl des neuen Obersten Gerichtshof im honduranischen Kongress

Und trotzdem bin ich immer wieder sprachlos über den grossen Einfluss der Politik hier. Eine gute Kollegin hat sich auf einen Job bei der Regierung beworben. Sie ist eine qualifizierte Master-Abgängerin und hat alle Dokumente korrekt eingereicht. Als sie am Bewerbungs-Gespräch ging, war die erste Frage: Sie haben ihren “Censo” nicht eingereicht. Der Censo ist ein Beweis-Dokument, welches zeigt, dass man für die aktuelle Regierungs-Partei gewählt hat. Wenn nicht für die aktuelle Partei gewählt worden ist, gibt es keinen Job bei der Regierung! Es zählt also mehr, für wen gewählt worden ist, als über welche beruflichen Qualifikationen man verfügt. Dies ist jedoch (leider) nichts neues und wird immer wieder gemacht, egal welche Regierungspartei an der Macht ist.

Wenn man plötzlich eigene Kinder hat, erhält man von überall her gut gemeinte Ratschläge. Als unsere Tochter vor ein paar Wochen leicht erkältet war, hat mir eine Nachbarin folgenden Tipp gegeben: ins Badewasser “Amoxicilina” (ein Breitband-Antibiotika) geben, somit wird die Erkältung gestoppt! Sie mache dies immer, wenn ihr Sohn eine beginnende Erkältung hat und es funktioniere sehr gut. Der Antibiotika-Missbrauch ist hier so normalisiert, dass die kleinen Babys schon darunter leiden müssen – In einem mit Antibiotika-versetzen Badewasser zu baden!

Anfang Februar sind hier in Honduras die Schulen wieder gestartet. Die meisten Kinder und Jugendliche aus dem Dorf haben sich sehr auf die Klassen gefreut und zeigen uns an den Mittwoch Nachmittagen jeweils sehr stolz ihre Hausaufgaben. Ein trauriger und paradoxer Fakt ist, dass so viele ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen ohne Job dastehen. Währenddessen sind hier im Dorf gerade mal zwei Lehrer für 6 Schulklassen!

Unsere Bibliothek wird weiter rege besucht. Es macht Freude zu sehen, dass immer mehr Kinder kommen und mich fragen, ob ich ihnen eine Geschichte vorlese. Unsere Absicht, die Kinder näher an die Bücher zu bringen, scheint also zu funktionieren. Was ebenfalls sehr schön mitzusehen ist, ist dass Sara (unsere Hilfsperson am Donnerstagnachmittag) immer mehr aus sich rauskommt! Sie hatte eine schwierige Kindheit durchlebt und da sie die älteste ihrer Geschwister ist, konnte sie nur bis in die zweite Klasse gehen. Danach hat sie ihr Vater aus der Schule genommen, damit sie zu Hause bei den Hausarbeiten mithelfen kann. Zu Beginn war Sara eher eine stille Helferin und hat mir einmal gestanden, dass sie nicht weiss, wie ein Puzzle geht. Sie hat dann immer wieder mit den Kindern geübt und letztes Mal musste ich schmunzeln, als sie mir ein fertiges Puzzle zeigen kam. Sie hat mit Stolz verkündet, dass sie es selber zusammen gesetzt hat. Für viele von uns eine so kleine Sache (ein Puzzle zu machen), für Sara ein grosser Erfolg!