13. Mai – Das tägliche Leben in Honduras

Der Monat Mai hat begonnen und wir hier sind froh über den Regen, welcher dieses Jahr pünktlich eingesetzt hat. Die vielen Waldbränden, welche alle Jahre in der Trockenzeit vorhanden sind, wurden so gelöscht und es ist eine neue Energie spürbar.

Die Situation der Migranten und Migrantinnen in den USA ist nach wie vor sehr unsicher. Evelin, ein Mädchen, welches in die Bibliothek kommt, erzählte mir unter Tränen, dass ihr Vater in den USA vor einem Monat eingesperrt worden ist, da er keine gültige Aufenthaltsbewilligung hatte. Er kann seine Familie nun nur noch alle paar Wochen anrufen und dies für drei Minuten. Wann er zurück nach Honduras geschickt wird, ist unklar. Evelin und ihre jüngere Schwester wurden dieses Jahr in eine private Schule eingeschult, da ihr Vater das Geld hierfür monatlich gesendet hat. Nun ist es für sie unsicher, ob sie weiterhin in die private Schule gehen können oder zurück in die öffentliche müssen. Denn leider kann ihr Vater kein Geld mehr senden… Dieses Beispiel zeigt die unsichere Realität von vielen Familien hier in Honduras.

Die Betreuung der Kinder ist hier oft sehr herausfordernd. Die Kitas sind sehr teuer und wenige Familie können es sich leisten, ihre Kinder so betreuen zu lassen. Da die Eltern oft lange Arbeitstage haben, übernehmen die Grossmüttern, älteren Geschwistern oder manchmal sogar die Urgrossmüttern die Betreuung. Unsere Nachbarin, welche 75 Jahre alt ist, betreut an einigen Tagen drei Urgrosskinder. Eine andere Nachbarin betreut täglich ihre zwei kleinen Grosskindern plus noch zwei Nachbarskindern. Wenn die Grossmüttern keine Optionen sind für die Betreuung, greifen Müttern aus Not oft auf ihre ältesten Töchtern zurück. Gabi, ebenfalls ein junges Mädchen der Bibliothek, ist für die Betreuung ihrer drei jüngeren Geschwister zuständig. Dazu erledigt sie den ganzen Haushalt mit kochen, putzen und waschen. Sie ist 15 Jahre jung und ihre Mutter arbeitet von morgens bis abends, ihr Vater arbeitet in einer anderen Stadt und kommt nur alle zwei Wochen kurz nach Hause. So hat die Mutter von Gabi entschieden, dass Gabi unter der Woche den Haushalt und Kinderbetreuung übernimmt und am Samstag in eine Wochenendschule geht. Auch dies ist nur ein Beispiel von hunderten! Ein viel zu frühes Erwachsenwerden.

Aber auch die Söhne müssen oft viel zu früh Erwachsen werden und “Männer”-Hausarbeiten übernehmen. Da viele Elternpaare getrennt sind und die Kinder bei der Mutter aufwachsen, lastet eine grosse, unausgesprochene Verantwortung auf dem ältesten Sohn. Erik, ein Nachbarssohn, ist 20 Jahre jung, wird in den nächsten Monaten das erste Mal Vater und ging nur bis in die 9.Klasse. Da er der einzige Sohn seiner alleinerziehenden Mutter ist, musste / wollte er früh Geld verdienen, damit er die Mutter unterstützen kann. Und so sehr früh “erwachsen” werden.

Immer wenn ich solche Beispiele höre und miterlebe, erkenne ich einmal mehr die Wichtigkeit von sicheren Umgebungen für Kinder und Jugendliche, so auch der unserer Bibliothek. Hier können die Kinder und Jugendliche einfach sich selbst sein.

Die neue Bibliothek in La Union, dem Nachbarsdorf, läuft gut. Leider sind die beiden Mütter, welche mich anfangs unterstützt haben, nicht mehr so ganz motiviert. Aber die Kinder schon; letzte Woche kamen 21 Kindern und wir hatten schon fast ein Platz-Problem 😊 Um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen und eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, lasse ich sie momentan das machen, was sie gerne möchten. Und das ist bei fast allen Malen. Die Bilder sprechen oft mehr als viele Worte…

29. März – Das tägliche Leben in Honduras

Hier in Honduras sind wir im Hochsommer und der Trockenzeit angekommen. Erfreulicherweise hat es in den letzten Wochen ein paar kleine Regenschauer gegeben, somit ist die Wassersituation bis jetzt noch kein Problem. Wir hoffen, dass es so bleibt und dass wir, nicht wie letztes Jahr, eine lange Trockenperiode erleben werden.

Die Entscheidungen des aktuellen US-Präsidenten treffen viele Menschen hier immer noch sehr hart. Viele Büros der internationalen Zusammen- und Entwicklungsarbeit mussten vorübergehend oder ganz schliessen, und in vielen Büros wurden viele Angestellten ganz oder vorübergehend entlassen. Ein guter Freund von uns, welcher als Direktor in einer grossen Hilfsorganisation arbeitet, erzählte uns, dass er 130 Angestellte entlassen musste! Ein anderes Büro, wo eine Freundin gearbeitet hat und welches 45 Angestellte hatte, wurde ganz geschlossen 🙁 Die USA war bei den meisten Büros der Haupt-Geldgeber und somit mussten die Büros das Budget extrem kürzen. Viele Programme sind geschlossen, viele Personen arbeitslos…

Anfang März wurden hier in Honduras die Vorwahlen durchgeführt. Aus jeder Partei wurde ein Vertreter oder Vertreterin gewählt, welche/-r dann im November bei den Wahlen die Partei vertritt. Bei den drei grossen Parteien hier in Honduras gab es keine Überraschungen. Gewählt wurden Rixi Moncada von der linken Libre-Partei, welche Partei aktuell an der Macht ist; Salvador Nasralla von der Liberalen und Nasry Asfura der rechten Nationalen Partei. Es wird spannend im November, denn so einfach wird die Libre-Partei ihre Macht wahrscheinlich nicht aus der Hand geben. Doch der Kandidat der Liberalen, Salvador Nasralla, ist beim Volk hoch im Kurs. Da er ein Fernsehmoderator ist, ist er bei vielen sehr beliebt und bekannt. Ob er auch politische Fähigkeiten hat, ist fragwürdig.

Leider verliefen diese Vorwahlen nicht ohne Zwischenfälle: Die Urnen für die Stimmzetteln wurden in vielen Gebieten und Stadtteilen erst am späten Nachmittag des Wahltages geliefert. So standen viele Personen lange an, bis sie endlich ihre Stimme abgeben konnte, einige konnten gar nicht wählen. In Tegucigalpa gingen viele auf die Strasse und protestierten. Die Präsidentin des Wahlkomitees gibt dem Militär, welche die Urnen auslieferten, die Schuld. Das Militär sagte, dass die Stimmzettel noch nicht fertig gedruckt waren und sie deshalb die Urnen nicht ausliefern konnten. Das Volk vermutet, dass dies alles geplant war, damit möglichst viele nicht wählen konnten. Die Wahrheit werden wir wohl nie wissen.

Eine traurige Nachricht hat Honduras letzte Woche erschüttert: der international bekannte Musikkünstler Aurelio Martinez hat bei einem tragischen Unfall sein Leben verloren. Er gehörte der Ethniegruppe der Garifunas an, war Aktivist und ein talentierter Sänger, und ein wichtiger Teil der Künstlerszene in Honduras…

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Das Schuljahr hat hier in Honduras wieder begonnen und vor ein paar Wochen kamen einige Mütter auf mich zu mit der Bitte, die Nachhilfe in der Bibliothek wieder anzubieten. Ich freute mich über diese Anfrage und nahm mit der Lehrerin vom Dorf Kontakt auf. Sie erzählte mir, dass sie leider wieder keine Arbeit hat und war sehr erfreut über meine Anfrage. Gerne gebe sie den Kindern wieder Nachhilfe! Und so können wir in der Bibliothek ab April den Kindern wieder Nachhilfe anbieten.

Anfang Februar kamen ebenfalls zwei Mütter auf mich zu, welche im Nachbarsdorf La Union wohnen. Sie fragten mich, ob ich noch nie überlegt habe, eine Bibliothek in La Union zu eröffnen? Sie würden es eine gute Idee finden und wären auch bereit, zu helfen. Auch über diese Anfrage hat ich mich sehr gefreut und nun sind wir an der Organisation, um auch im Nachbarsdorf La Union den Kindern und Jugendlichen eine Bibliothek anzubieten 😊

30. Januar – Das tägliche Leben in Honduras

Für viele Personen hier in Honduras ist Dezember einer der schwierigsten Monate: viele Schulden müssen bis Ende Jahr beglichen werden und zusätzlich gilt es noch Geld für die Geschenke der Kinder zusammenzubekommen. Dieser Druck führt zu einem deutlichen Anstieg der Kriminalitätsrate hier in Honduras. Im Monat Dezember werden die meisten Überfälle und Diebstähle berichtet. Die Anspannung in der Hauptstadt war gut spürbar.

Der Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump hat jetzt schon gravierende Auswirkungen auf Honduras. Da Trump letzte Woche entschieden hat, die Finanzierungen für die Programme der Humanitären Hilfe zu pausieren, müssen viele Hilfsorganisationen ihr Budget massiv kürzen. Der Direktor einer grossen Hilfsorganisation in Tegucigalpa hat uns erzählt, dass er vermutlich 40% seiner Angestellten entlassen muss, da er nicht wisse, ab wann sie wieder mit der finanziellen Unterstützung aus den USA zählen können. Die USA ist bei den meisten Hilfsorganisationen hier in Honduras der grösste Geldgeber und deshalb werden viele Organisationen in den nächsten Monaten mit grossen Finanzprobleme konfrontiert werden.

Traurig ist es auch zu sehen, dass das Budget für die öffentlichen Spitälern anscheinend nicht bis zum letzten Monat des Jahres reicht und so musste das öffentliche Universitätsspital ein Infoblatt herausgegeben, mit der Mitteilung, dass bis Ende Jahr 2024 keine Gazen vorhanden sind und Operationen abgesagt werden müssen. Geht man jedoch in die nächste Apotheke oder in ein privates Spital, sind dort viele Gazen erhältlich.

Dass hier in Honduras die Männer bei Entscheidungen oft das letzte Wort haben, ist bekannt. Und doch treffe ich immer wieder Situationen an, bei denen ich erschrocken bin über die Macht der Männer. Unsere Nachbarin hat vor ein paar Wochen ihre Tochter geboren und nach einem schwierigen Start im Spital, hatte sie zu Hause viele Fragen über das Stillen und ihre Genesung. Ihr grosser Wunsch war, ihre Tochter voll stillen zu können und das hat sie auch erreicht! Doch als ich eine Woche nach der Geburt bei ihr ankam, sass sie tränenüberströmt auf dem Bett und zeigte mir ihre Brüste, welche rot, geschwollen und voller Milch waren. Auf meine Frage, wann sie das letzte Mal gestillt hätte, war ihre Antwort: gestern Abend! Sie erklärte mir, dass ihr Mann wütend wurde, als ihre Tochter am Abend oft weinen musste und deswegen habe er beschlossen, dem Neugeborenen einen Schoppen (Milch in der Trinkflasche) zu geben, worauf seine Tochter einige Stunden durchgeschlafen habe. Er müsse ja auch mal ruhen können, meinte er. Die Auswirkung auf seine arme Frau und deren Entzündung, welche seine Entscheidung hervorgerufen hat, war ihm nicht bewusst gewesen.

In der Bibliothek konnten wir eine gemütliche Weihnachtsfeier mit den Kindern und Jugendlichen feiern und danach mit viel Elan ins neue Jahr starten. Die Jugendliche haben mit viel Freude Weihnachtsguetzli gebacken und fleissig mitgeholfen, Geschenke für die Kinder einzupacken. Es hat mich gefreut zu sehen, wie motiviert sie bei diesen Arbeiten waren 😊

Der Ferienkurs durften wir erfolgreich abschliessen und die Kinder werden Anfang Februar ins neue Schuljahr starten.

3. Dezember – Das tägliche Leben in Honduras

Und schon sind wir in den letzten zwei Monaten des Jahres 2024 angekommen. Die Präsidentschaftswahlen in den USA im November wurden auch hier in Honduras mitverfolgt. Da die evangelische Kirche den gewählten US-Präsidenten unterstützte und diese Kirche hier in Honduras viel Einfluss hat, sind die meisten Personen hier mit dem Wahlergebnis zufrieden. Ich wurde oft gefragt, ob denn das Resultat der Wahlen die Menschen hier vor einer Migration in die USA abhält, da die Republikaner ja eine strenge Hand gegen dieses “Problem” angekündigt haben. Doch das Elend und der grosse Wunsch auf eine bessere Zukunft ist und wird für viele Honduranerinnen und Honduraner immer grösser sein, egal war für eine Partei / Präsident in den USA herrscht. Selbst Universitätsabgängerinnen und -abgänger haben es hier sehr schwierig, einen Job auf ihrem Gebiet zu finden. Eine Kollegin hat ihr Studium als Anwältin erfolgreich abgeschlossen, findet bis jetzt jedoch keine Arbeit auf ihrem Gebiet. Sie fand einen Job als Hilfsassistentin in einem Archiv und verdient nur 12’000 HNL (umgerechnet ca. 500 CHF). Als Anwältin sollte sie mindestens 40’000 HNL verdienen! Und so gibt es hunderte Beispiele von jungen talentierten Leuten, die keine Arbeit finden, denn Arbeit findet man hier oft nur durch politische Beziehungen. Viele von diesen jungen Personen verlassen das Land, um eine bessere Zukunft anderswo zu suchen.

Auch dieses Jahr wurde Honduras nicht von starken Regenfällen verschont. Mitte November kam ein tropischer Sturm ins Land rein und brachte in den meisten Teilen Honduras Regen, Regen und nochmals Regen. Es begann am Donnerstagabend und hat bis Sonntagnacht durchgeregnet. Der Norden von Honduras hat es am stärksten getroffen: Umgestürzte Bäume, Erdrutsche, Überschwemmungen und zusammengefallene Brücken sind die Folgen. In unserer Gegend gab es zum Glück keine grösseren Schäden. Als wir eine Woche nach dem Sturm auf den öffentlichen Markt gingen, erzählten uns viele Verkäufer, dass sie enorme Einbussen haben, da der Regen ihre Ernte zerstört hat… Und sie erhalten leider vom Staat keine Entschädigung oder Hilfe.

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Ob Regen oder Sonne, wir in der Bibliothek machen weiter! Letzten Monat haben wir eine kleine Abschlussfeier mit Pizza organisiert, da der Junge (von welchem ich im letzten Bericht erzählt habe) nun definitiv zu seiner Mutter in die Hauptstadt zieht. Das Schuljahr ist für die Kinder und Jugendliche beendet und in dieser Zeit öffnen wir die Bibliothek mehr, um den Kindern eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten. Denn viele Eltern arbeiten den ganzen Tag, die Kinder / Jugendliche sind somit alleine zu Hause und verantwortlich für die jüngeren Geschwister und den Haushalt.

Und da die Weihnachtszeit startet, bieten wir nun jeweils einmal pro Woche (nebst dem Spielnachmittag) einen Bastelnachmittag an, wo die Kinder und Jugendliche Weihnachtsdekorationen machen dürfen. Das benötigte Material ging ich mit ein paar Jugendlichen zusammen in die Hauptstadt kaufen. Die Freude dieser fünf jungen Menschen war sehr spürbar 😊

27. September – Das tägliche Leben in Honduras

In den letzten zwei Monaten war auf politischer Ebene viel los, wie fast jeden Monat😊 Die aktuelle Präsidentin und ihre Partei haben ein Aushändigungs- Abkommen mit den USA beendet. Somit kann ab sofort niemand mehr an die USA ausgeliefert werden. Dies hat für viel Aufsehen gesorgt, denn Honduras ist politisch wie auch wirtschaftlich sehr abhängig von dieser grosser Nation. Viele korrupte Personen, welche hier in Honduras keine gerechte Strafe erhalten, oftmals nicht einmal in Betracht zu einer Untersuchung gezogen werden, konnten “dank” des Abkommens in den USA vor Gericht gerufen und zur Rechenschaft gezogen werden. Auf der anderen Seite hat dies auch eine grosse Abhängigkeit mit diesem Land generiert, denn eigentlich sollte das Justizsystem des eigenen Landes solche Aufgaben übernehmen.

Eine andere, jedoch traurigere Neuigkeit war, dass Juan Lopez, ein Menschenrechtsaktivist, ermordet worden ist; dies ist leider keine Seltenheit hier in Honduras. Verantwortlich für solche Ereignisse sind oft internationale Konzerne, für welche solche Aktivisten und Aktivistinnen ein grosses Hindernis für ihre korrupten Geschäfte sind. Laut dem Bericht von “Global Witness” ist Honduras das Land mit der höchsten Mordrate pro Kopf bei Menschenrechtsverteidiger:innen 🙁

Der Monat September ist der Patria gewidmet. Am 15. September ist Unabhängigkeit-Tag und dies wurde wie jedes Jahr sehr gross gefeiert. Dieses Jahr hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer pensionierten Lehrerin, welche mir erzählte, dass die Kostüme für die Paraden (welche jeweils an diesem Tag in allen Städten durchgeführt werden) sehr teuer sind. Einige kosten umgerechnet fast 3000 Schweizer Franken! Der soziale Druck ist für einige Familien so stark, dass sie sich verschulden, um ihren Kindern ein “würdiges” Kostüm für die Parade zu ermöglichen.

Eines der Kleider, die am Unabhängigkeit-Tag getragen werden.

Auch das Thema Elektrizität sorgt hier in Honduras oft für viel Aufsehen. Momentan wird einmal pro Woche Unterhaltsarbeiten durchgeführt, somit haben wir an diesem Tag von morgens bis meistens spät am Abend kein Strom. Vorinformiert wird nicht, plötzlich ist der Strom weg, was oft sehr unbequem ist. Bei uns im Haus ging eine Stromleitung kaputt und da der öffentliche Stromversorger solche Sachen nicht repariert, haben wir einen Nachbarn um Hilfe gebeten, welcher Erfahrung mit diesen Problemen hat. Er ist auf den hohen Strompfosten gestiegen mit selbstgebastelten Schuh-Hacken (siehe Foto). Als ich ihn gefragt habe, woher diese Idee kam, erzählte er mir, dass er dies bei einem Arbeitskollegen gesehen und nachgebaut hat. Ich war sehr verblüfft und musste etwas schmunzeln; da der Staat hier oft keine grosse Hilfe ist, wissen sich die Leute selbst zu helfen! Unser Strom funktioniert seitdem wieder tiptop.

Unsere Bibliothek läuft wie gewohnt weiter. Letzten Donnerstag ist mir aufgefallen, dass ein Junge sehr bedrückt wirkt. Ich konnte ihn zu einem Puzzle überreden und da erzählte er mir, dass seine Mutter zu ihrem neuen Freund in die Hauptstadt gezogen ist. Seine Mutter hat ihn bei der Tante und Grossmutter gelassen, welche weiterhin hier im Dorf wohnen. Als er mir dies unter Tränen erzählte, wurde mir das grosse ethische Dilemma bewusst; was ist besser beziehungsweise schlechter für ihn? Getrennt von seiner Mutter leben, dafür aber in einem relativen gesunden sozialen Umfeld wie bei uns im Dorf? Oder bei seiner Mutter in der Hauptstadt in einem Gang-Viertel, wo die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er irgendwann in die Gang einsteigen wird? Eine schwierige Situation. Für den 7-jährigen Jungen ist aber klar: er möchte bei seiner Mutter leben…

Wenn ich solche Geschichten höre, wird mir jeweils bewusst, wie wichtig Projekte wie unsere Bibliothek sind. Einen Ort, wo den Kindern eine sichere Umgebung geboten wird und sie ihre Sorgen von der Seele reden können. Ausserdem entstehen immer wieder Situationen, die mich zum Lachen bringen: da wir in der Bibliothek keine Unterscheidung zwischen Frauen- und Männerarbeiten machen, habe ich letzte Woche Josue mitgenommen, um das Bad zu reinigen. Er meinte zu Beginn, dass er dies zu Hause nie machen muss und er es sehr eklig finde. Er kam trotzdem mit und ich habe ihm gezeigt, wie es gemacht wird. Er half mit überraschender grosser Motivation mit und am Ende meinte er, dass es ja gar nicht so schlimm sei, WC zu putzen 😊