30. April – Das tägliche Leben in Honduras

Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in meinem Heimatland bin ich wieder zurück in Honduras und im Dorf-Alltag.

Die Situation in Honduras ist angespannt; es waren Vorwahlen für die im November stattfindenden Präsidentschaftswahlen. Was ich von den meisten Personen gehört habe, ist vor allem Enttäuschung und wenig Hoffnung auf faire und demokratische Wahlen. Und dies zur Recht: die Vorwahlen sind bereits von Korruption überschattet, was die Hoffnung auf faire Wahlen im November sehr schmälert.

Meine Nachbarin hat mir erzählt, wie die Vorwahlen hier im Dorf genau ablaufen: Jede grosse Partei ist mit einem Tisch und einigen Personen im Saal vertreten. Wenn man seinen Wahlzettel abgeben möchte, begibt man sich zum entsprechenden Tisch der Partei und übergibt ihn. Von Privatsphäre keine Spur; es weiss danach das ganze Dorf, für welche Partei man gestimmt hat. Dies kann unangenehme Folgen haben – unter anderem kann man seinen Job verlieren, wenn man nicht die aktuelle Partei an der Macht wählt.

Eine andere Nachbarin, die im öffentlichen Spital als Pflegefachfrau arbeitet, erzählte mir, dass bei allen Angestellten im Januar umgerechnet fast 250.- vom Lohn abgezogen worden sind. Als sie nach dem Grund fragte, bekam sie als Antwort, dass es für die National-Partei ist; also jene Partei, welche zurzeit an der Macht ist. Es werden also einfach so, ohne einen klaren Grund, mehr als ein Drittel vom Lohn für die Partei abgezogen. Es kann die Frage hochkommen, wieso sich die Angestellten nicht wehren; die Antwort darauf ist ziemlich klar und traurig sogleich: es sei halt so und wenn es ihnen nicht passt, können sie gehen. Es gibt ja genug Personen, die Arbeit suchen…

Die Covid-Situation hier ist nach wie vor sehr unklar. Die Spitäler sind weiterhin überfüllt, es mangelt an Sauerstoff und Medikamenten. Von der Regierung wird dieser Situation wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wichtiger sind jetzt die Wahlen. Sie geben Zahlen von Todesfällen bekannt, welche sehr unglaubwürdig sind.

Obschon anscheinend schon viele Angestellten von den Spitälern geimpft worden sind, hat die Bevölkerung noch nichts von den Impfungen gesehen. Viele Honduranerinnen und Honduraner von der Mittel- und Oberschicht kaufen sich ein Ticket in die USA und impfen sich dort. Es ist traurig zu sehen, dass es in einem Land, welches so Nah an Honduras grenzt, genügend Impf-Dosen für die sogenannten Impf-Touristen hat, während hier in Honduras die Impfungen in einem gewaltigen Geld-Geschäft gehandelt werden. Es gilt wieder einmal: Wer Geld hat, kann sich alles kaufen – sogar die Gesundheit.

Der Schulunterricht wird hier nach wie vor online durchgeführt. Das heisst, dass die Mütter die Hausaufgaben jeweils per Whats-App erhalten und die Kinder dürfen jeweils am Montag in der Schule vorbei, um ein Manuskript mit den jeweiligen Themen abzuholen. Für ganz viele Kinder ist es schwierig, den Schulstoff nur anhand eines Manuskriptes zu verstehen. Keine Erklärungen, keine Person, die gefragt werden könnte. Am schwierigsten ist es für die Kinder, welche jetzt in der 2. Klasse sind. Da letztes Jahr keine Schule war, haben sie nicht lesen, geschweige denn die Buchstaben oder Nummern kennengelernt. Da die Regierung verboten hat, dass ein Kind die Klasse wiederholt (und es ist wirklich so: viele Mütter haben mir erzählt, dass sie gewünscht haben, ihre Kinder sollen die Klasse wiederholen. Sie haben jedoch die Antwort erhalten, dass kein Kind die Klasse wiederholen kann), müssen nun also die Kinder den Schulstoff der 2. Klasse lernen, ohne Lesen oder Schreiben zu können.

Unsere kleine Bibliothek wurde während meiner Abwesenheit von zwei sehr engagierten Frauen weitergeführt. Die Kinder kommen immer noch gerne und zahlreich vorbei. In der Bibliothek machen wir jeweils den ersten Teil etwas Didaktisches (Lesen, Farben lernen, Nummerieren,…) und im zweiten Teil dürfen sie spielen. Im Didaktischen Teil sitzen jeweils die Kinder, welche gerne mitmachen wollen, im Kreis und nehmen teil. Die kleineren Kinder oder die, welche nicht mitmachen wollen, vergnügen sich in dieser Zeit mit den Puzzles oder Spielsachen.

Es ist immer wieder eindrücklich zu sehen, wie sehr die Kinder es geniessen, einfach spielen zu können. Die Mädels lieben es zu basteln! Sie können sich stundenlang mit Bastelarbeiten beschäftigen und zeigen uns danach stolz ihre Arbeit. Es kommt mir immer so vor, als ob diese Stunden in der Bibliothek wie eine kleine Inseln der Erholung und des Alltags-Vergessen für uns alle ist.