1. Dezember – Das tägliche Leben in Honduras

Der Monat November ist vorbei. Fast fehlen mir die Worte, um die Erlebnisse dieses vergangenen Monates zu beschreiben: Angst, Trauer, Ungewissheit? Wut, Hoffnungs- und Machtlosigkeit? Keines dieser Worte trifft die erlebten Gefühle, welche wir hier in Honduras diesen Monat erlebt haben.

Anfang November hat der Hurrikan „Eta“ Honduras hart getroffen. Wind und Regen waren unsere Begleiter für fast eine Woche, pausenlos! Man hat dem Regen zugeschaut und es war einfach kein Ende in Sicht. Endlose Machtlosigkeit machte sich breit… Der Hurrikan „Eta“ ist in Nicaragua auf Land getroffen und ist dann über Honduras nach Guatemala gezogen. Er hat viel Regen mit sich gebracht; zu viel Regen. Im Norden standen (und stehen immer noch) ganze Stadtgebiete und Dörfer unter Wasser. Personen haben zum Teil tagelang auf ihren Dächern auf Hilfe gewartet. Tausende haben ihr Zuhause verlassen müssen mit dem Nicht-wissen, wann und ob sie überhaupt dorthin zurück gehen können. Die Folgen waren verheerend: viele Erdrutsche, über die Ufer getretene Flüsse, viele hatten tagelang keinen Strom, Staudämme erreichten ihre Maximalkapazität und es musste Wasser abgelassen werden; also noch mehr Wasser für die Flüsse.

Und dann, nach einer Woche, kam langsam wieder die Sonne hervor und hat (wenn auch wenig) Linderung gebracht: die Erde konnte langsam trocknen, Flüsse gingen langsam auf ihren Normalstand zurück und es gab ein „Aufschnaufen“.

Als dann nach einer Woche Sonne die Nachricht kam, dass sich ein weiterer Hurrikan annähert, dachten viele von uns: Das ist doch jetzt wohl ein schlechter Scherz, oder?! Zwei Hurrikans innerhalb von drei Wochen? Viele wollten es nicht glauben… doch gab es keine Zweifel: der zweite Hurrikan „Iota“ ist fast genau wie „Eta“ vor zwei Wochen in Nicaragua auf Land getroffen und dann über Honduras nach El Salvador gezogen. Ich weiss nicht, wie ich diese Hoffnungslosigkeit, dieses „Warum noch einmal“, dieses Gefühl von Ungerechtigkeit und eine mitschwingende Wut sowie Angst in Worte beschreiben soll.

Der zweite Hurrikan „Iota“ brachte wieder viel Wind, Unmengen an Regen und eine gewaltige Zerstörung mit sich. Und das über einem Land, welches sich immer noch nicht vom letzten Hurrikan erholt hat.

Der Regen ist auf einen immer-noch feuchten Erdboden geprasselt; also auf eine Erde, die kaum Kapazität hatte, noch mehr Wasser aufzunehmen. Mehr Erdrutsche, mehr Überschwemmungen, mehr Personen ohne ihr Daheim und mehr überfüllte Staudämme waren die Folgen. In vielen Gebieten sind ganze Dörfer durch einen Erdrutsch weggeschwemmt worden. Die Anzahl der Todesopfer steht noch nicht offiziell fest; es werden noch Wochen vergehen müssen, um die genaue Anzahl bestimmen zu können. Denn man weiss nicht, wie viele Personen unter den Schlammlawinen begraben sind, wie viele Personen sich irgendwohin geflüchtet haben und wie viele Personen anderswo Zuflucht suchten.

Quelle: https://es-us.vida-estilo.yahoo.com/honduras-cientos-miles-viven-albergues-010426843.html

Jetzt, knapp eine Woche nach dem letzten Sturm, gibt es für viele immer noch kein Aufatmen. Der Regen hat zwar nachgelassen, die Sonne scheint ab und zu, aber es regnet immer noch jeden Tag für ein paar Stunden. Viele Personen sind immer noch in den Auffangzentren, welche von der Regierung zur Verfügung gestellt worden sind. Die Situation in diesen Auffangzentren wird als nicht einfach beschrieben: sexuelle Übergriffe und Korruption herrscht leider auch dort. Deshalb gibt es viele Personen, die ihr weniges Hab und Gut genommen haben und seit den Hurrikans unter einer Brücke wohnen… in der Hoffnung, dass sie bald zurückkehren können.

Das Problem Corona ist in den Hintergrund gerückt, obwohl in den Auffangzentren viele Personen auf einem kleinen Raum ohne Schutzmassnahmen zusammen sind. Und somit ist das Ansteckungsrisiko mehr als hoch. Aber dieses Risiko nimmt man in Kauf; man hat oft auch einfach keine andere Wahl.

Für mich ist es überwältigend zu sehen, wie gross die Hilfsbereitschaft von vielen Honduranerinnen und Honduranern ist! Viele Familien haben Kleider gespendet; obwohl sie sonst schon nur vier T-Shirts besitzen, haben sie ein T-Shirt für die Personen gespendet, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Es gab auch verschiedene Aktionen, in welchen Frauen sich zusammen getan haben und Essen für die Personen unter den Brücken gekocht haben…

Hier im Dorf sind zum Glück keine grösseren Schäden entstanden. Doch da das Dorf in einer Risikozone für Erdrutsche steht, sind doch einige Familien evakuiert worden. Bei meiner Nachbarin ist die Hauswand durch einen kleinen Erdrutsch beschädigt worden, glücklicherweise sind aber die meisten Häuser von den vielen Erdrutschen verschont geblieben. Und die Tatsache, dass wir fast 5 Tage keinen Strom hatten, ist eines der kleinsten Übel.

Unsere Bibliothek konnten wir aus Sicherheitsgründen während des Regens nicht öffnen. Umso motivierender und erfrischender war es, als wir die Bibliothek wieder öffnen konnten und die Unbeschwertheit der Kinder geniessen konnten.